Es war ein mal ...
Mit diesen Worten beginnen oft gute Geschichten, die sich über viele Jahrzehnte in den Köpfen verankern und gerne erzählt werden.
Aber auch gute Geschichten haben immer ein Ende. Unser Unternehmen ›bostext‹ war so eine gute Geschichte, die im April dieses Jahres leider ihr letztes Kapitel schrieb. Es war eine schöne Zeit, auf die wir, Joachim Schrimm und Thomas Ikrat, stolz und ein bisschen wehmütig zurückblicken.
Begonnen hatte unser gemeinsamer Weg schon in unserer Ausbildung bei einem großen, namhaften Betrieb in Rutesheim bei Stuttgart. Schon damals war klar, dass wir beide nicht den Pfad wählen würden, den andere für uns vorgesehen hatten und dass sich unsere Wege wieder kreuzen würden.
Im Januar 1990 war es dann soweit. Wir hatten beide unsere ersten Sporen in der Druckbranche verdient, viel Neues gelernt und noch mehr Flausen im Kopf. Die Geburtsstunde von ›bostext‹ oder ›bos textprocessing + support‹, wie wir uns damals nannten.
Das zarte Pflänzchen ›Desktop Publishing‹ war in der Szene gerade am Gedeihen und wir planten, unseren eigenen Acker zu bestellen. Die ersten Anwendungen auf dem Apple Macintosh hielten in den Satz- und Grafikabteilungen Einzug, doch an ›DTP‹ mit dem IBM-PC traute sich damals kaum einer ran. Ein Abenteuer. Genau unser Ding!
In den ersten beiden Jahren konzentrierten und spezialisierten wir uns darauf, DTP-Komplettsysteme zusammenzustellen und die neue Technik vor allem bei Industriekunden in die Arbeitsabläufe zu integrieren. Die individuelle Auswahl von Hard- und Software, Großmonitoren, Flachbettscannern, Spezial-Laserdruckern und die Ausbildung der künftigen ›Publisher‹ war damals unser Kerngeschäft. Und für alle, die sich die neue Technik nicht ins Haus holen wollten, haben wir damals schon die Dokumente erstellt.
Dazu mussten oft Daten aus vorhandenen EDV-Systemen übernommen und satztechnisch weiterverarbeitet werden. Was heute beinahe selbstverständlich ist, konnte damals nur mit Tricks, Improvisation oder selbstprogrammierten Hilfsmitteln gelöst werden. ›MacGyver‹ wäre stolz auf uns gewesen.
Mitte der 1990er Jahre hatte sich unser Fokus vom Systemanbieter komplett zum Satz-Dienstleister verschoben. Dabei galt es eine neue Herausforderung zu meistern: das Belichten von Filmen mit DTP-Daten vom PC. Für den Apple Mac gab es schon diverse Lösungen, PC-Daten mussten aber noch auf den Mac und dann zum Belichter. Über die damaligen Ergebnisse dieser Datentransfers muss man heute meist das Mäntelchen des Schweigens legen.
Unsere Lösung war ein eigener, vom PC aus ansteuerbarer Belichter, mit dem wir Kundendaten aus den unterschiedlichsten Quellen verarbeiten konnten, um daraus Offsetfilme zu erstellen. Da wir weit und breit die einzigen waren, die PC-Daten belichteten, durften wir uns so manche Nacht im Büro um die Ohren schlagen. Die Masse an Belichtungsaufträgen musste ja auch termingerecht bewältigt werden und das Gerät lief so manches Mal heiß. Die nächtlich im Leonberger Gewerbegebiet patrouillierende Polizeistreife hatte sich mittlerweile nach einigen Kontrollen wegen Einbruchverdachts an uns gewöhnt.
Unser ›Skill‹ im Bereich DTP und Satz mit dem PC hatte sich indessen herumgesprochen und bescherte uns immer mehr Satzaufträge von fremdsprachigen Drucksachen. Der weltweit wachsende internationale Handel mit Produkten erforderte Bedienungs- und Serviceanleitungen in immer mehr Sprachen, speziell in den slawischen Sprachen Osteuropas sowie Russisch und Griechisch. Da die Übersetzer immer schon mit Programmen auf dem PC arbeiteten, mussten diese Texte auch auf PCs weiterverarbeitet werden – eine Übernahme auf den Mac lieferte meist Buchstabensalat. Wieder genau unser Ding.
Und so kam es, dass wir ab Mitte der 1990er Jahre für zahlreiche internationale Konzerne die fremdsprachliche Dokumentation setzen und meist auch gleich belichten durften. Von AEG über BASF, Bosch, Canon, Daimler, Fujitsu, HP, Konica, Mercedes, Minolta, Olympus, Opel, Philips, Porsche, Renault, Sharp, Siemens bis VW, Wella und Ziehl war so ziemlich alles dabei, was Rang und Namen hatte. Für alle diese und viele weitere Unternehmen haben wir schon Bedienungsanleitungen, Serviceunterlagen und Marketingmaterial in fast allen Sprachen gesetzt.
Es war eine aufregende Zeit, in der wir sogar einmal von bewaffneten Sicherheitskräften bei unserer Arbeit bewacht wurden, damit wir die damals streng geheimen Manuskripte und Pläne der Radaranlage eines Zerstörers nicht an ausländische Mächte verkaufen konnten.
Anfang der 2000er Jahre entwickelte sich parallel zur ›Technischen Dokumentation‹ langsam aber stetig ein weiteres Geschäftsfeld: der ›Werksatz‹. Immer mehr Verlage kamen auf uns zu und beauftragten uns mit Layout, Satz und Umbruch von Büchern aller Art. Eine schöne und spannende Aufgabe für uns als bekennende Liebhaber des gedruckten Buches. Der Digitaldruck kam, die Belichtungsaufträge gingen. So waren wir froh, uns neben dem Fremdsprachensatz auch immer mehr dem Satz von Büchern widmen zu können. Bis heute haben wir beinahe 800 Bücher gesetzt und es war alles dabei: Kinderbücher, Kochbücher, juristische und medizinische Fachliteratur, Bildbände, Reiseführer, Romane, Lektüren, Ratgeber oder Chroniken und Biografien. Und es ist immer noch ein Fest, ein selbstgesetztes Buch später als gedrucktes Exemplar in der Hand zu halten. Es überkommt einen dann das schöne Gefühl, etwas Dauerhaftes, etwas für die Nachwelt erschaffen zu haben. Andere Drucksachen, wie Visitenkarten, Prospekte oder Plakate sind ja eher kurzlebig.
So gingen 30 Jahre ins Land. Eine kleine Ewigkeit für eine Branche, die sich so stark an der Technik orientiert und durch diese dominiert wird. Spezielle DTP-Komplettsysteme braucht keiner mehr ‑ das kann heute jeder durchschnittliche PC. Inkompatible Daten von Apple und PC/Windows? Geschichte. Offsetfilme? Seit dem Digitaldruck kein Thema mehr. Fremdsprachensatz mit Übernahme und Anpassung von Übersetzungen? Läuft heute beinahe vollautomatisch und erfordert nur noch wenig Nacharbeit, die oft in Billiglohnländern erfolgt. Auch ein Großteil der heutigen Bücher wird mittlerweile fast vollautomatisch über XML-Prozesse erstellt.
Was blieb? Die wenigen Drucksachen, bei denen noch Kreativität, typografisches Feingefühl und drucktechnisches Fachwissen gefragt waren. Oder die Problemfälle, die individuelle Lösungen und Hirnschmalz erforderten. Um Aufgaben zu bewältigen, zu denen Automatismen und Technik nicht in der Lage sind.
Die Geschichte von ›bostext‹ findet hier nach über 30 Jahren nun ihr Ende. Es war aufregend und erregend. Es war anstrengend und inspirierend. Es war schön.
Ein Ende ist aber immer auch die Gelegenheit, nach vorne zu schauen. Eine neue Geschichte zu beginnen, neue Kapitel zu schreiben, neue Wege zu gehen …
Mein neuer Weg heißt ›ETYPO‹. Werdet ein Teil davon und helft mir, diese Geschichte mit Leben zu füllen. Manches wird euch dabei vertraut sein, manches neu erscheinen.
Neue Story, neuer Abschnitt, neuer Name – das war für mich schnell klar. Dafür bleiben das Dienstleistungsangebot, die Zuverlässigkeit und die Professionalität so, wie ihr es gewohnt wart.
Online sind die Adressen von ›bostext‹ natürlich noch eine gewisse Zeit erreichbar, die Geschichte aber wird unter ›ETYPO‹ fortgeschrieben. Ich freu mich drauf! Auf neue Aufgaben, neue Herausforderungen, neue Erfolge. Auf euch!
Last uns beginnen …
Grüße vom Mann an der Maus,
Joachim Schrimm
30 Jahre älter, aber immer noch hoch motiviert
Toll, hab leicht Tränen in den Augen!